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Free University of Bozen-Bolzano

Prof. David B. Blumenthal hat in Bozen promoviert
Prof. David B. Blumenthal hat in Bozen promoviert

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„Mit diskreter Mathematik biomedizinische Probleme modellieren“

#unibzcareers: Der 34-jährige Prof. David B. Blumenthal hat an der Fakultät für Informatik promoviert, den Best PhD Student Award zugesprochen bekommen und ist heute Professor für Biomedical Network Science in Erlangen. Ein Gespräch.

Herr Prof. Blumenthal, Sie haben in den Jahren 2015 - 2019 an der Fakultät für Informatik Ihren PhD absolviert. Welcher Thematik haben Sie sich dabei gewidmet?
Prof. David B. Blumenthal: Ich habe neue Techniken entwickelt, um die Graph Edit Distance möglichst schnell und genau zu berechnen. Die Graph Edit Distance ist ein sehr flexibles Distanzmaß für attribuierte Graphen, aber sie exakt zu berechnen ist so rechenintensiv, dass es sich in der Praxis nicht durchführen lässt. Man braucht also skalierbare Heuristiken und diese habe ich während meines PhD entwickelt.

Haben Sie sich wegen der Forschung Ihres Doktorvaters Prof. Johann Gamper für das Doktoratsstudium in Bozen beworben?
Nach meinem Mathematikstudium in Berlin war für mich klar, dass ich im Bereich der Algorithmik und angewandten diskreten Mathematik (eine der Teilgebiete der Mathematik mit großen Schnittmengen zur Informatik) promovieren möchte. Ich wollte in Bozen promovieren, weil meine damalige Freundin und heutige Frau in Südtirol wohnte und arbeitete. Der Kontakt zu Johann Gamper kam dann zustande, weil auch er damals u.a. auf dem Gebiet der angewandten diskreten Mathematik arbeitete.

Wohin hat Sie ihr beruflicher Weg nach dem PhD geführt?
Nach meinem PhD war ich noch ein halbes Jahr bis September 2019 an der Uni Bozen als PostDoc beschäftigt. Im Oktober 2019 habe ich eine Stelle als Akademischer Rat (PostDoc, vergleichbar mit RTD A) an Jan Baumbachs Lehrstuhl für experimentelle Bioinformatik der TU München angetreten. Seit Juni 2021 bin ich Tenure-Track-Assistenzprofessor für Biomedical Network Science am Department Artificial Intelligence in Biomedical Engineering der FAU Erlangen-Nürnberg.

Wann haben Sie sich dazu entschlossen, sich auf AI in Biomedizin zu spezialisieren?
Direkt nach meinem PhD. Im Laufe meines PhD bin ich immer häufiger auf Arbeiten gestoßen, in denen Techniken der angewandten diskreten Mathematik verwendet werden, um biomedizinische Probleme zu modellieren. Das fand ich einfach unglaublich spannend, weshalb ich mich dann für mein PostDoc nur auf Stellen in diesem Bereich beworben habe.

An welcher Thematik forschen Sie derzeit?
Ich forsche mit meinem Team derzeit daran, komplexe Erkrankungen wie Alzheimer mechanistisch zu re-definieren. Dazu muss man wissen, dass viele Krankheiten derzeit aufgrund der Symptomatik diagnostiziert werden, nicht auf Basis eines molekularen Mechanismus. Das ist problematisch, denn wenn man die mechanistische Grundlage nicht kennt, kann man die Krankheit nur symptomatisch behandeln. Wir entwickeln Algorithmen, die dabei helfen, große molekulare Datenmengen zu analysieren, um am Ende zu molekularbiologisch fundierten mechanistischen Re-Definitionen dieser komplexen Erkrankungen zu kommen. Dadurch könnte endlich kausal und nicht nur symptomatisch behandelt werden.

Sie haben AIMe entwickelt – wofür steht das Kürzel und was steckt hinter der Methode?
Unser „AIMe registry for artificial intelligence in biomedical research“ steht für einen generischen Standard, der im Prinzip für alle biomedizinischen KI-Systeme verwendet werden kann. AIMe ermöglicht es Autoren neuer biomedizinischer KI-Systeme, transparente Berichte zu ihren Arbeiten zu erstellen, in denen insbesondere Meta-Parameter, Validierungs-Strategie und Daten genau beschrieben werden. Unser Ziel ist dabei, Transparenz und Reproduzierbarkeit von solchen Systemen zu erhöhen, um wiederum Vertrauen bei Menschen schaffen, die solche Systeme in der klinischen Praxis nutzen könnten.

Wie funktioniert AIMe?
AIMe beinhaltet zwei Hauptkomponenten: den AIMe-Standard und den AIMe-Webservice. Der AIMe-Standard besteht aus rund 25, die wiederum in fünf verschiedene Abschnitte aufgeteilt sind: Meta-Data, Zielsetzung, Beschreibung der zu verwendenden Datensätze, eingesetzte Methode und die Fragen nach der Reproduzierbarkeit. Der AIMe-Webservice bietet Autoren biomedizinischer KI-Systeme die Möglichkeit, die im AIMe-Standard enthaltenen Fragen in einem Online-Fragebogen zu beantworten. Aus den Antworten wird dann ein Eintrag in unserer Datenbank erstellt, welche sich im AIMe-Webservice interaktiv durchsuchen lässt.

Welchen Stellenwert wird Künstliche Intelligenz künftig in der Biomedizin einnehmen?
Wie in allen Bereichen werden auch in der Biomedizin riesige Datenmengen generiert, insbesondere molekulare Daten. Um die darin verborgenen Informationen optimal auszuwerten, braucht man automatisierte Ansätze. Dafür ist KI natürlich optimal geeignet. Es gibt aber auch noch viele Herausforderung: Zum einen gilt es die Reproduzierbarkeit zu verbessern – hier haben wir mit AIMe einen wichtigen Beitrag geleistet. Auch Mangel an Erklärbarkeit ist ein Problem, sind doch viele KI-Systeme im Prinzip Blackboxen. Die dritte Herausforderung liegt in der Natur biomedizinischer Daten: Diese sind einerseits i.d.R. hochsensibel und können deshalb aus Datenschutzgründen häufig nicht einfach öffentlich verfügbar gemacht werden. Dies wäre aber andererseits erstrebenswert, um sicherzustellen, dass alle Patientengruppen gleichermaßen von neuesten Entwicklungen in der biomedizinischen KI profitieren.

Sie selbst haben eine beeindruckende Karriere absolviert. Was raten Sie jungen Doktorand*innen mit Blick auf deren Zukunft?
Aus meiner Sicht ist es schon für junge Doktorand*innen absolut empfehlenswert, zu versuchen, sich sehr früh ein eigenes Forschungsnetzwerk unabhängig von ihren Betreuer*innen aufzubauen. Zumindest war dies für mich sehr hilfreich. Bei einem kleinen Workshop habe ich Forscher aus Caen kennengelernt, die zum selben Thema wie ich arbeiteten. Da wir uns auch privat sehr gut verstanden haben, haben wir fortan sehr eng zusammengearbeitet. Auch während meiner Zeit als PostDoc habe ich immer versucht, mit Leuten aus anderen Forschungsgruppen ins Gespräch zu kommen, um Möglichkeiten für gemeinsame Projekte auszuleuchten. Dank meines Netzwerkes bin ich heute in sehr vielen spannenden Projekten involviert, aus denen natürlich auch viele Publikationen hervorgehen.

(vic)