Skip to content

Freie Universität Bozen

Luftaufnahme der Gipfelkaverne des Toblinger Knotens in Richtung der Stellungen auf dem Innichriedl

Press releases

Auf den Spuren des Ersten Weltkriegs: High-Tech-Vermessungen in Sextner Dolomiten

Zwischenstand des zweijährigen Forschungsprojekts zur Kriegsfront in den Sextner Dolomiten: die erste Projektphase mit technisch aufwändigen Feldarbeiten im Hochgebirge ist abgeschlossen. 

"In die Landschaft eingeschrieben. Orte, Spuren, Erinnerungen. Der Erste Weltkrieg in den Sextner Dolomiten.”  So lautet der Titel eines Forschungsprojektes der Plattform Kulturerbe und Kulturproduktion der Freien Universität Bozen, mit dem die bislang nicht umfassend dokumentierten Strukturen der Weltkriegsfront um die Drei Zinnen erhoben und aufgearbeitet werden. Parallel dazu werden die Wirkungen des Kriegsgeschehens auf die Zivilbevölkerung in Sexten erforscht.  Im Rahmen des von RESEARCH SÜDTIROL/ALTO ADIGE 2020-2022 finanzierten Projekts durchsuchte ein Team von Archäolog*innen in einer ersten Phase systematisch das Hochplateau der Drei Zinnen und dokumentierte jede Spur, welche die 29 Monate andauernden Kämpfe zwischen Mai 1915 und November 1917 in der Landschaft hinterlassen haben.

Zum Einsatz kam dabei modernste Technik wie Differential-GPS, Drohnen, 3D-Vermessung und Panorama-Kameras. Insgesamt wurden mehr als 37.000 Vermessungspunkte mit GPS registriert, 146 photogrammetrische Drohnenflüge durchgeführt und 177 Strukturen mit terrestrischer Structure from Motion Methode dreidimensional dokumentiert. Damit gelang es erstmals auch die zahlreichen, unterirdisch verlaufenden Kavernenanlagen vollständig zu erfassen. Ziel ist eine möglichst vollständige Kartierung und Interpretation aller noch vorhandenen Kriegsstrukturen- und Spuren. Das Projektgebiet erstreckt sich zwischen den beiden schwer umkämpften Bergen Sextenstein und Toblinger Knoten und im Zuge der Erhebungen konnte erstmals ein gesamter Kampfabschnitt der Gebirgsfront vollständig aufgenommen werden. Dabei zeigte sich, wie hoch entwickelt die Infrastruktur zur ganzjährigen Versorgung der Truppen war, die auf einem weitverzweigten Wegenetz und zahlreichen Seilbahnen basierte. Im Zuge der Vermessungsarbeiten des italienischen Stollens am Paternkofel gelang es, einen bislang unerforschten Bereich zu vermessen. Dadurch konnte erstmals belegt werden, dass ursprünglich ein Tunnel den gesamten Paternkofel unterquerte, der nur auf den letzten Metern eingestürzt ist.

„Die Spuren des Ersten Weltkrieges in der Landschaft sind im Zuge des ständig wachsenden Tourismus im UNESCO Weltnaturerbe wichtige Relikte für die Vermittlung der damaligen Ereignisse an ein lokales und internationales Publikum. Gleichzeitig sind sie Plünderungen und willkürlicher Zerstörung ausgesetzt“, unterstreicht die Projektleiterin Waltraud Kofler-Engl. Umso wertvoller sei der Beitrag des Forschungsprojektes zur Dokumentation, gegen das Verschwinden und Vergessen.

Durchgeführt wird das Projekt "In die Landschaft eingeschrieben“ von einem multidisziplinären Team an Wisssenschaftler*innen der Freien Universität Bozen, das Disziplinen wie Kulturerbe- und Geschichtswissenschaft, Konfliktarchäologie, Soziologie, Anthropologie, Geografie, Design und Kunst umfasst. Zentral ist auch die Zusammenarbeit mit lokalen Trägern der Erinnerung: der Verein „Bellum Aquilarum“ und der Tourismusvereins Sexten sowie Nachfahren der Kriegsgeneration und die Sextner Bevölkerung werden partizipativ in das Projekt eingebunden; auch mit den Nachbarn im Comelico wird der Austausch gesucht. In den kommenden Monaten werden historische Fotos und Archivunterlagen ausgewertet und mit den Ergebnissen der Feldarbeiten zusammengeführt. Zusätzlich werden eine Ausstellung und eine Tagung vorbereitet, um das Projekt im Herbst 2022 abschließen zu können. „Dann werden wir in der Lage sein, das schwierige Erbe des Ersten Weltkrieges im Schatten der Drei Zinnen in der Landschaft besser zu erfassen als auch die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung in Sexten und deren Erinnerung und Rezeption differenzierter sehen und vermitteln zu können“, verspricht Waltraud Kofler-Engl.

su/09.02.2022