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Freie Universität Bozen

Dienststellen CC Regional History

15 Apr 2022 00:00-23:59

CfP: Widerrechtliche Übertritte, Kontrollen, Strategien (16.-19. Jahrhundert)

Konferenz: Grenzüberschreitungen. Widerrechtliche Übertritte, Kontrollen, Strategien (16.-19. Jahrhundert)Brixen, 1.-3. Dezember 2022Deadline für Einreichungen: 31. Mai 2022

Dienststellen CC Regional History

Das Thema der (politischen, physischen, kulturellen, sprachlichen...) Grenzen nimmt seit langem einen breiten Raum in der öffentlichen Debatte ein und steht im Mittelpunkt des Interesses von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen: von der Geschichtsschreibung bis zur Geographie, von den Global Studies bis zur Anthropologie, von der Philosophie bis zur Linguistik, vom Recht bis zur Wirtschaft. Durch die Globalisierung, die großen Migrationswellen und die jüngste Rekonstruktion von Grenzen während der Coronakrise hat das Thema an Aktualität gewonnen. Ein Nachdenken über die historische Dimension der Grenzen und ihre Bedeutung für die Bevölkerung und die Regionen, die von ihnen direkt berührt oder durchquert werden, sowie über die Auswirkungen der Grenzen auf die Mobilität von Menschen und Waren erscheint daher sinnvoll.
Im Rahmen dieses erneuerten Interesses für das Thema Grenzen richten das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen und die Arbeitsgruppe „Geschichte und Region“ eine internationale Tagung zu einer spezifischen sozialen Dynamik aus, die seit jeher mit staatlichen Grenzen verbunden war und ist, nämlich deren illegale Überschreitung. Dieses Thema steht in engem Zusammenhang mit den Praktiken und Techniken der Überwachung und Identifizierung von Personen, den Instrumenten der territorialen Kontrolle, dem Rechtsbegriff der Staatsbürgerschaft, des Wohnsitzes und des Aufenthaltsortes, den politischen und institutionellen Beziehungen zwischen Zentrum und Peripherie und ganz allgemein mit der Art und Weise, wie Staaten in der Geschichte ihre Grenzen konstruiert, umgestaltet, ausgehandelt und zu verteidigen versucht haben.
Aus disziplinärer Sicht soll ein breites Spektrum historiographischer Ansätze – Sozialgeschichte, Frauen- und Geschlechtergeschichte, historische Anthropologie und Mikrogeschichte, Wirtschafts-, Rechts- und Kriminalitätsgeschichte – Berücksichtigung finden. Was den geografischen Rahmen betrifft, werden keine Grenzen gesetzt. In Bezug auf den zeitlichen Rahmen nimmt die Tagung eine Perspektive der longue durée ein, von der frühen Neuzeit bis Ende des 19. Jahrhunderts – Jahrhunderte also, in denen sich sowohl die staatlichen Konfigurationen als auch das Konzept der Grenze und die Art ihrer Verteidigung drastisch verändert haben.
Angesichts der zeitlichen, geografischen und disziplinären Breite und um vergleichende Perspektiven anzuregen und zu ermöglichen, grenzen wir das Thema auf drei Gruppen von Akteuren und Akteurinnen im Zusammenhang mit Grenzregionen bzw. auf die Dynamiken des illegalen Grenzübertritts sowie auf die Verbindungen, Interdependenzen und Konflikte zwischen diesen Gruppen ein.
I. Die erste Gruppe umfasst Männer und Frauen, aber auch Tiere und Gegenstände, die Grenzen widerrechtlich oder unerlaubt überschritten haben (Deserteure, Flüchtlinge, Vagabunden, Wanderhändler, Schmuggler und Schmuggelware usw.). Welche Personengruppen wurden als Gefahr oder potenzielle Quelle von Unordnung wahrgenommen, die es abzuwehren galt? Welche Triebfedern, welche wirtschaftlichen Bedürfnisse oder existenziellen Anforderungen, welche individuellen und kollektiven Ereignisse haben diese Menschen dazu gebracht, die Grenze illegal zu überschreiten? Welche Routen wurden beschritten, welche Strategien wurden für den Grenzübertritt angewandt (Fälschung von Dokumenten, falsche Identitätsangaben, Überquerung an bestimmten „Schwachstellen“, Bestechung der Grenzbeamten oder Suche nach Unterstützung und Kooperation durch die örtliche Bevölkerung)?
II. Die zweite Gruppe umfasst die mit der Grenzkontrolle betrauten Personen und Institutionen. Wie war dieses Kontrollsystem organisiert und strukturiert? Welche Strategien wurden angewandt? Welcher Rechtsrahmen und welche möglichen Sanktionsinstrumente wurden entwickelt und in der Praxis angewandt? Welche Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation gab es zwischen den Kontrollorganen zweier benachbarter Staaten?
III. Die dritte Gruppe umfasst die Akteure der „Grenze“, die in einer mehr oder weniger direkten Beziehung zu der ersten oder zweiten obengenannten Gruppe stehen konnten: Informanten/Informantinnen, Fährleute, diejenigen, die wirtschaftliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem illegalen Grenzübertritt oder mit dessen Überwachung ausübten. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen den Menschen, die in der Nähe der Grenze lebten und arbeiteten, den Grenzbeamten und den Menschen, die versuchten, die Grenze zu überqueren?  Wie war die Selbst- und Fremdwahrnehmung dieser Bevölkerungsgruppe als Teil einer Grenzregion und im Verhältnis zur ersten und zweiten Personengruppe? Was waren die sozialen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile ihrer Grenznähe?


Die Tagung findet vom 1. bis 3. Dezember 2022 an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen in Brixen statt.
Die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung werden von den Organisatoren übernommen.
Bitte senden Sie Ihren Themenvorschlag (ca. 500 Wörtern mit Angabe der verwendeten Quellen sowie in derselben Datei eine Kurzbiographie) bis zum 31. Mai 2022 an Francesca Brunet: francesca.brunet@unibz.it. Allfällige Fragen können an dieselbe Adresse gerichtet werden. Die Abstracts können auf Italienisch, Deutsch oder Englisch eingereicht werden. Die Konferenzsprachen sind Italienisch, Deutsch und Englisch mit Simultanübersetzung.
Die Ergebnisse des Auswahlverfahrens und das endgültige Tagungsprogramm werden bis Mitte Juni 2022 bekannt gegeben.

Organisationsteam: Francesca Brunet, Siglinde Clementi
Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen
Arbeitsgruppe „Geschichte und Region/Storia e regione“